Auskunftsansprüche gegen Provider
Auskunftsansprüche gegen Provider

Auskunftsansprüche gegen Provider

Beitrag, Deutsch, 2 Seiten, C. H. Beck Verlag oHG

Autor: Oliver J. Süme

Erscheinungsdatum: 15.06.2007

Quelle: Multimedia und Recht


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Auskunftsansprüche gegen Provider – letzte Runde

Mit der Umsetzung der Enforcement-Richtlinie (RL 2004/48/EG) in Deutschland steht nach jahrelangen Beratungen, kontroversen Diskussionen und unterschiedlichsten politischen Forderungen der jeweiligen Interessenvertreter nun die Einführung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Dritte unmittelbar bevor. Der Bundestag wird voraussichtlich noch diesen Sommer über den Regierungsentwurf entscheiden. Damit betritt der Gesetzgeber Neuland: Die haftungsunabhängige, direkte Auskunftsverpflichtung eines Dritten, den an der behaupteten Rechtsverletzung kein Verschulden trifft, ist dem deutschen Zivilrecht bislang fremd gewesen. Um so mehr war die angemessene Berücksichtigung des Interessendreiklangs der Rechteinhaber, der Provider und des Datenschutzes von Bedeutung, der das Gesetzgebungsverfahrens auf europäischer und nationaler Ebene durchweg geprägt hat.

Die Forderungen der Rechteinhaber nach weiteren Mitteln zur Rechtsdurchsetzung bilden dabei den Ausgangspunkt und stellen grundsätzlich ein nachvollziehbares und geschütztes Interesse an effektiver Verfolgung von Verletzungen geistiger Eigentumsrechten dar. Ebenso ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei dem in der Praxis wichtigsten Fall des Auskunftsersuchens über den Inhaber einer bestimmten IP-Adresse nicht nur ein Eingriff in das Datenschutzrecht gegeben ist, sondern nach überwiegender Meinung auch das Fernmeldegeheimnis berührt ist. Den dritten Ton des Dreiklangs bilden die Interessen der Provider, für die sich die Auskunftsverpflichtung mangels eigenem Verschulden ebenfalls als Grundrechtseingriff in ihre Berufs- und Gewerbefreiheit darstellt. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens waren insofern grundrechtsrelevante Eingriffe und Belange aller Orten zu berücksichtigen, die ein besonderes Augenmaß des Gesetzgebers für die Wahrung der Verhältnismäßigkeit der geplanten Regelung erforderlich gemacht haben. Angesichts der teilweise gegensätzlichen Interessen von Rechteinhabern einerseits und Providerwirtschaft, Daten- und Verbraucherschützern andererseits keine leichte Aufgabe.

Der vorliegende Gesetzesentwurf der Regierung trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Regelungsanspruch der Enforcement-Richtlinie gleichwohl Rechnung. Die geplante Regelung eines neuen § 101 UrhG schafft einen Auskunftsanspruch, der durch mehrere unabdingbare Instrumentarien einen angemessenen und verfassungsrechtlich gebotenen Interessenausgleich gewährleistet und Rechteinhabern neben dem weiterhin bestehenden Weg über die Strafverfolgungsbehörden nun auch ein direktes zivilrechtliches Mittel zur Auskunftserlangung an die Hand gibt.
Unter Berücksichtigung der Vorgabe der Enforcement-Richtlinie ist Voraussetzung für den Auskunftsanspruch zunächst, dass eine Rechtsverletzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist, das Ausmaß also über das hinausgeht, was in der Regel der Nutzung zum privaten Gebrauch entspricht. Mit dieser Regelung soll insbesondere der Gefahr begegnet werden, dass Dritte mit einer Masse von Ansprüchen überzogen werden, wie dies teilweise in der bisherigen Praxis der Strafanzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen der Fall war. So wurden durch ein mit der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen beauftragtes Privatunternehmen über 30.000 Strafanzeigen unter Angabe der jeweiligen IP-Adresse bei einer Staatsanwaltschaft gestellt. Derartigen Massenverfahren will der Gesetzgeber von vornherein ausschließen.

Der Auskunftsanspruch setzt zudem grundsätzlich eine offensichtliche Rechtsverletzung voraus und wird damit – wie bereits nach derzeitigem Recht gemäß § 101a Abs. 3 UrhG – dem Umstand gerecht, dass die einmal erteilte Auskunft nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Eine Tatsache, die generell bei der Diskussion um Auskunftsansprüche zu berücksichtigen ist und deutlich macht, dass es sich bei der einmal erteilten Auskunft über die Identität eines Kunden um einen irreparablen Vorgang handelt: Unabhängig davon, ob sich der Inhaber eine IP-Adresse am Ende des Verfahrens als Rechtsverletzer entpuppt, ist der Eingriff in Datenschutz und Fernmeldegeheimnis nicht mehr rückgängig zu machen. Bereits insofern waren richtigerweise strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Rechtsverletzung zu stellen.

Zudem ist der Verletzte nach dem Regierungsentwurf verpflichtet, dem auf Auskunft in Anspruch genommenen, an der Rechtsverletzung selbst aber unbeteiligten Provider die für die Auskunftserteilung entstandenen Aufwendungen zu ersetzen. Als Kosten der Rechtsverfolgung sind diese Aufwendungen für den Verletzten eine Schadenersatzposition, die er an den Rechtsverletzer weiter reichen wird. Gleichzeitig wird der Aufwand der Provider kompensiert, der bereits nach bestehender Rechtslage angesichts stetig steigender Auskunftsersuchen immer kostenintensiver wird. Dabei besteht der Aufwand weniger in der Erteilung berechtigter Auskunftsverlangen, als vielmehr in der Prüfung der zahlenmäßig weitaus häufigeren unberechtigten Auskunftsersuchen, sei es von grundsätzlich berechtigten oder unberechtigten Stellen. Die Zahl der Auskunftsersuchen wird mit Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung weiter steigen, die Aufwandsentschädigung durch diejenigen, die Auskunft begehren war daher eine zwingende Konsequenz.

Als wichtigste Stellschraube im Verhältnismäßigkeitsgefüge sieht der Regierungsentwurf schließlich eine vorherige richterliche Anordnung für den Fall vor, dass die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten erteilt werden kann. Dies ist regelmäßig bei Auskünften über den Inhaber einer IP-Adresse der Fall. Hier erfüllt der Richtervorbehalt eine elementare, doppelte Sicherungsfunktion:

Zum einen stellt er einen wichtigen prozeduralen Schutzmechanismus für den Betroffenen dar, in dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung ebenso wie in das Fernmeldegeheimnis irreparabel eingegriffen wird. Ebenso wie Strafverfolgungsbehörden nach §§ 100g, 100h StPO nur zur Aufklärung erheblicher Straftaten und mit richterlicher Anordnung Auskunft über Verbindungsdaten erhalten, muss auch bzw. gerade bei entsprechenden Auskunftsrechten zugunsten Privater ein flankierendes, formelles Verfahren den Betroffenen entsprechende Schutzmechanismen bieten.

Zum anderen garantiert der Richtervorbehalt den in Anspruch genommenen Providern Rechtssicherheit, da die Herausgabe von Daten aufgrund einer gerichtlichen Anordnung einen Haftungsausschluss bedeutet. Der Richtervorbehalt befreit die Provider von einer ansonsten aufgezwungenen Richterrolle, in der sie selbst über die Herausgabe ihrer Kundendaten zu entscheiden hätten. Abgesehen von dem damit verbundenen Prüfungsaufwand würde dies ein erhebliches Haftungsrisiko der Provider für den Fall unberechtigter Datenfreigabe einerseits oder unberechtigter Auskunftsverweigerung andererseits nach sich ziehen. Weder der Prüfungsaufwand, noch das Haftungsrisiko können der Providerwirtschaft jedoch mit Blick auf die zu wahrende Verhältnismäßigkeit des Auskunftsanspruchs aufgebürdet werden. Auch insoweit war und ist der Richtervorbehalt daher unabdingbar.

Teile der Rechteinhaber kritisieren diese Sicherungsmechanismen des Interessenausgleichs und der Verhältnismäßigkeit als nicht akzeptabel und fürchten, der Auskunftsanspruch werde damit uneffektiv und würde ins Leere laufen. Diese Befürchtung ist insoweit nicht nachvollziehbar, als mit der vorgesehenen Regelung nicht nur die Vorgaben der Enforcement-Richtlinie umgesetzt werden, sondern den Rechteinhabern gerade für erhebliche Rechtsverletzungen ein weiteres effektives Mittel zur Durchsetzung ihrer Rechte an die Hand gegeben wird. Unabhängig davon können Privatunternehmen im Hinblick auf Eingriffe in Datenschutz und Fernmeldegeheimnis nicht weitergehende Befugnisse an die Hand gegeben werden, als sie auch Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung erheblicher Straftaten haben. Unter Berücksichtigung der Intensität der jeweils betroffenen Interessen liegt daher als Ergebnis eines langwierigen und schwierigen Gesetzgebungsverfahrens nun ein Entwurf vor, der den Interessendreiklang angemessen berücksichtigt und sich nun in der Praxis bewähren muß.

Oliver J. Süme

DE, Hamburg

RICHTER & SÜME Rechtsanwälte · Steuerberater

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