Den Elfenbeinturm verlassen
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Wie Design Thinking hilft, den Blick gemeinsam zu weiten

Beitrag, Deutsch

Autor: Ulrike Stahl

Erscheinungsdatum: 08.10.2018


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Auch wenn es manchem Experten nicht leichtfällt, zuzugeben, dass er nicht alle Informationen hat, um gute Lösungen zu finden – wer immer noch im Elfenbeinturm sitzt, läuft Gefahr, wichtige Trends zu übersehen.
 
Die Halbwertszeit des Wissens liegt gerade einmal bei zwei bis drei Jahren, in bestimmten Bereichen wie der EDV spricht man sogar von nur einem Jahr. Die Herausforderung des Informationszeitalters besteht also darin, möglichst viele Disziplinen immer wieder neu zu kombinieren. Das erfordert allerdings die Bereitschaft, sich zu öffnen und immer wieder durch neue Impulse von außen inspirieren zu lassen – ob als einzelner Experte oder als Gruppe. Fortschrittliche Unternehmen reagieren darauf mit Projektarbeit, Matrixstrukturen und mehr Selbstorganisation, damit Menschen unabhängig von Abteilung und Hierarchie zusammenarbeiten und so gemeinsam Ziele erreichen.
 
Den Blick weiten
Das alles hilft jedoch nur wenig, wenn wir nach wie vor in alten Strukturen und Denkweisen gefangen sind. Solange wir uns nicht bewusst damit auseinandersetzen, sind wir nicht sehr gut darin, mehrere Perspektiven gleichzeitig im Blick zu haben. Dazu müssen wir weich und entspannt bleiben. Das ist auch ganz leicht auszuprobieren. Nehmen wir uns einen Punkt in unserem Blickfeld und richten wir unseren Blick darauf. Sofort fokussiert sich unser Blick und wird starr. Versuchen wir zwei weit auseinanderliegende Punkte gleichzeitig im Blick zu halten, ohne den Kopf oder die Augen zu bewegen, gelingt das nur, wenn wir uns entspannen und den Blick weicher werden lassen. Der ko-zentrierte Blick weitet das Sichtfeld im Gegensatz zum konzentrierten Blick, der das Sichtfeld verengt. Dass der ko- oder multi-zentrierte Blick gerade auch in der Gruppe eine Herausforderung sein kann, zeigt das Phänomen Groupthink.
 
Zu wenig Informationen
Das Phänomen, dass wir in einem Meeting etwas sagen wollen, uns dann aber dagegen entscheiden, weil wir das, was die Gruppe geleistet hat und wofür sie steht, nicht infrage stellen wollen, wurde 1972 von dem Psychologen Irving Janis als „Groupthink“ bezeichnet. Er untersuchte, warum Teams manchmal exzellente und gleich danach katastrophale Entscheidungen treffen. Der Grund für die schlechten Entscheidungen sei der Mangel an Konflikten oder abweichenden Sichtweisen. Wenn niemand sie zur Sprache bringe, würden sie nicht diskutiert, wodurch die Alternativen auch nicht vollständig analysiert werden könnten. Das führe dazu, dass Entscheidungen getroffen würden ohne ausreichende Informationen. Genau das verhindere einen guten Lösungsprozess, vor allem aber Innovation und Wachstum.
 
Gegenseitige Inspiration
Teamgeist bedeutet für uns, in erster Linie fest zusammenzuhalten und wird vor allem dadurch gestärkt, indem sich das Team von anderen abgrenzt. Abweichler stören das Teamgefüge und Neuhinzukommende haben sich gefälligst nahtlos einzufügen. Mit der Bereitschaft, dieses Denken hinter sich zu lassen und sich der Vielfalt von Ideen und Sichtweisen zu öffnen, steht und fällt der Erfolg von echter Innovation. Das neue WIR-Verständnis muss deshalb deutlich weiter gehen: über Ego-, Team-, Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinaus. Wir brauchen gegenseitige Inspiration. Dafür müssen wir unsere starren Ich- oder Gruppengrenzen durchlässig gestalten – eher im Sinne einer Membran, als einer harten Schale.
 
Zukunftsfähige Konzepte
Design Thinking wurde von David Kelley, Terry Winograd und Larry Leifer von der Stanford University entwickelt und wird mittlerweile nicht nur in großen Unternehmen genutzt, um neue Lösungen und Produkte zu entwickeln, sondern beschert auch dem Mittelstand, Dienstleistungsunternehmen und dem Handwerk mehr Innovation und Kundenorientierung. Der Design Thinking-Prozess geht davon aus, dass Innovation sich nur dann durchsetzt, wenn sie in der Schnittmenge aus den drei gleichberechtigten Faktoren Mensch, Technologie und Wirtschaft entsteht. Deshalb werden all diese Aspekte von Anfang an in diesem Prozess zusammengebracht. Der Erfolg ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass mehr Menschen und Perspektiven einbezogen werden als in einem üblichen Problemlösungs- oder Innovationsprozess. Design Thinking ist also nicht nur eine kreative Methode, sondern eine Denkhaltung, die sowohl ermöglicht, Probleme kreativ zu lösen als auch zukunfts- und kundenorientierte Konzepte zu entwickeln.
 
Mehr Durchlässigkeit
Ein Aspekt, der Design Thinking so erfolgreich macht, ist der Grundgedanke, dass gerade interdisziplinäre Teams echte, herausragende Innovationen erschaffen können. Dazu werden alle Disziplinen sofort in den Prozess aktiv mit einbezogen. Der zweite Erfolgsfaktor ist die radikale Kundenorientierung. Es wird nicht nur fantasiert, was der Kunde möchte oder aus Marktforschungsdaten abgeleitet – das Design Thinking Team spricht sehr früh mit potentiellen Interessenten. In einem solchen Design-Thinking Team mitzuarbeiten, erfordert eine besondere Durchlässigkeit. Dafür eignen sich Menschen mit einem sogenannten T-Profil. Der vertikale Balken repräsentiert das Expertenwissen und die Spezialisierung in einer bestimmten Domäne (z. B. Medizintechnik). Der horizontale Balken steht für Offenheit, Interesse und Neugier gegenüber anderen Disziplinen, der Umwelt und anderen Menschen, kurz gesagt für Kooperationsfähigkeit. Es ist die Fähigkeit, die Hände auszustrecken und Kontakt mit anderen Wissensgebieten und Experten herzustellen.
 

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Ulrike Stahl

DE, Brandenburg an der Havel

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