Marketingeffizienzsteigerung bei Hilti am Beispiel Markenführung
Marketingeffizienzsteigerung bei Hilti am Beispiel Markenführung

Marketingeffizienzsteigerung bei Hilti am Beispiel Markenführung

Beitrag, Deutsch, 4 Seiten, Thexis Verlag

Autor: Dr. Christine Wichert, M.B.A.

Herausgeber / Co-Autor: Jörg Kampmeyer

Erscheinungsdatum: 2004

Seitenangabe: 25-28


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Für Industriegüterunternehmen bewirkt fundierte Markenpflege sowohl Kos-tenspareffekte als auch eine Komplexitätsreduktion von Managementprozes-sen. Die Hilti Aktiengesellschaft nutzt Markenführung als mehrdimensionales Steuerungsmittel für nachhaltige Unternehmensentwicklung in einem komple-xen Tätigkeitsfeld.

Die Bedeutung einer strategisch ausgerichteten Markenführung mit langfristigen Zie-len ist bei Konsumgütern unbestritten und gehört als integraler Bestandteil in die ü-bergeordnete Marketingstrategie. Markenführung wird hier nicht primär als Kosten-faktor, sondern als notwendige Investition betrachtet, die mindestens ebenso be-deutsam ist wie Produktentwicklung und Vertrieb. Investitionsgüterhersteller im B2B-Bereich integrieren hingegen strategische Markenführung erst allmählich als Kern-element in ihre Unternehmensstrategie. Hierbei werden insbesondere zwei Aspekte kritisch diskutiert: Zum einen gilt Markenführung als Kostentreiber, zum anderen las-sen sich die Ergebnisse häufig nicht eindeutig kausal mit den ursprünglichen Maß-nahmen der Markenführung verknüpfen. "Weiche" Faktoren können sich so einer detaillierten Kosten-Nutzen-Analyse entziehen.

Hilti hat bei der eigenen Markenführung entscheidende Einsichten gewonnen, die auf einer neuen Betrachtungsweise der Marketingeffektivität und -effizienz durch Mar-kenführung basieren. Diese lassen sich in zwei Hypothesen zusammenfassen und werden im Folgenden näher untersucht.


Hypothese 1. Qualitatives lässt sich quantifizieren

Viele Unternehmen wissen, wie hoch der jeweilige monetäre Markenwert ist und wie hoch sich sein Anteil am Unternehmenswert beläuft. Bei starken B2C-Marken wie BMW oder Coca-Cola kann dieser Anteil durchaus 50 bis 70 % ausmachen. In B2B-Unternehmen ist der Anteil mit ca. 10 bis 40 Prozent meist geringer (Quelle: Busi-ness Week). Diesen monetären Wert langfristig zu erhöhen ist ein hehres Ziel , je-doch konjunkturellen Schwankungen unterworfen.

Hier hilft das Verständnis, dass der Markenwert seine Bedeutung aus der Marken-stärke zieht. Diese ist ein konjunkturell stabileres Konstrukt, das sich aus vielen ver-schiedenen rationalen (z.B. Bekanntheit), emotionalen (z.B. Identifikation mit der Marke) und verhaltensbedingten (z.B. Kaufintention) Indikatoren zusammensetzt. Diese gilt es international für die wichtigsten Märkte zu verfolgen und vor allem zu erklären, weil sie hoch mit Marktanteilen und dem realisierbaren Preispremium korre-liert, welches wiederum auf die Markenstärke zurückstrahlt.

Hilti verfolgt diesen Ansatz systematisch und erlangt so einen Ausweg aus der be-kannten Falle herkömmlicher deskriptiver Marktforschung. Hierbei werden häufig in traditionellen Analysen Sympathiewerte, qualitative Fußabdrücke und Eisberge oder skalenbezogene Markenwerte verwendet. Mit diesen Analyse- und Darstellungsme-thoden wird jedoch nicht deutlich, wodurch die Kundenwahrnehmung überhaupt ent-standen ist und welche Hebel es zu bedienen gilt, um sie nachhaltig zu beeinflussen. Zwar kann abgelesen werden, dass eine Marke etwa für Qualität, Dynamik oder Spaß steht. Unklar bleibt aber oft, in welcher Reihenfolge diese Einzelfaktoren auf die Marke einzahlen und wie sie operationalisiert werden können. Bedeutet "Dyna-mik" im Automobilbereich z.B. die Verwendung stärkerer Motoren oder wird dies über ein schnittiges Design transportiert? Dies gilt es zu ergründen und eindeutige Hand-lungsempfehlungen abzuleiten.

Die Marke ist ein komplexes Gebilde und die Markenforschung kann und soll diese Komplexität empirisch abbilden: Die ganzheitliche Messung beginnt mit dem oben genannten, mehrdimensionalem Markenwert. Mithilfe eines kausalanalytischen LIS-REL (Linear Structural Relationships)-Modells, einem Strukturgleichungsmodell, das, vereinfacht ausgedrückt, Regressions- und Faktoranalyse kombiniert, wird das Stär-ken- und Schwächenprofil einer Marke aufgezeigt und die Erfolgs- und Misserfolgs-treiber quantifiziert (siehe Abbildung im PDF).

Das Analyseverfahren kann auf unterschiedliche Fragestellungen hin adaptiert wer-den. So wird z.B. die Zielgruppe der "Markenfans" durch eine Analyse des Kunden-modells bzw. "Neukunden" durch die Kreation eines Nichtkundenmodells untersucht. Unterschiedliche Branchen, im Falle Hilti z.B. Installateure, Elektriker oder Hochbau-unternehmen, können ebenso analysiert werden wie regionale Gruppierungen oder Kundenunternehmen unterschiedlicher Größe. Im Ländervergleich zeigt sich, ob Auf-fälligkeiten einem weltweiten Phänomen der Marke oder lokalen Begebenheiten zugrunde liegen. Die Unbestechlichkeit empirischer Fakten vertreibt lang gehegte, bauchgetriebene Hypothesen. Unangenehme Fakten können trennscharf identifiziert und bei der Entwicklung von Marketingmaßnahmen kann ein Paradigmenwechsel auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Da Markenführung grundsätzlich kurzfristigem Gewinnstreben widerspricht, sollte eine starke Marke im Wettbewerbsumfeld zu den erklärten Zielen des Managements gehören und in die Steuerung aller Vertriebsgesellschaften integriert werden. Aus diesem Grund verfolgt man bei Hilti das Ziel, die Ergebnisse und Ableitungen der Analyse in ein Marken-Cockpit-Chart zu überführen. Darüber hinaus bildet ein inter-nationaler Erfahrungsaustausch und Ergebnisvergleich die Basis, um alle operativen Einheiten und nicht nur das Topmanagement in die Pflicht zu nehmen, die Marke nachhaltig zu stärken und zu pflegen. Denn auch im Marketing gilt das Motto "What get's measured get's done". Die Abwägung zwischen kurzfristigen Möglichkeiten und langfristigen Markennotwendigkeiten wird mit geeigneten Marken-Controlling-Tools erleichtert. Daher unterliegt der Erfolg unternehmerischer Maßnahmen zur Marken-stärkung, sei es z.B. Kommunikation oder technische Maßnahmen, einer ständigen Messung.

Als positiver Nebeneffekt lassen sich hier Einsparpotentiale realisieren. Denn nahezu jedes Unternehmen führt regelmäßig Kundenzufriedenheitsstudien durch, die sich im Rahmen des regelmäßigen Tracking nicht nur mit der Markenanalyse verzahnen, sondern auch integrieren lassen. Aber nicht nur die punktuelle Integration von Stu-dien hilft, Kosten zu senken. Dass dies regelmäßig möglich ist wollen wir in unserer zweiten Hypothese beleuchten.


Hypothese 2: Markenführung ist nicht generell ein "Big Budget"-Investment sondern ermöglicht auch Kostensenkungen

Wird Markenführung mit klassischen Marketing- und Werbemaßnahmen assoziiert, so entsteht schnell ein unrealistisches Bild der erforderlichen Aufwendungen. Schwir-ren Millionenbeträge im Kopf der Betrachter, ist die Ablehnung einer solchen Investi-tion vorprogrammiert, insbesondere bei Geschäftsbereichen, die strenge Kostenziele gesetzt bekommen und eher an kurzfristigen als an langfristigen Erfolgen interessiert sind. Dabei hilft gute Markenführung aber nicht nur, das realisierbare Preispremium zu erhöhen und mehr Umsatz durch höheres Volumen zu erzielen. Insgesamt kön-nen auch Prozesskosten gesenkt werden. Voraussetzung für die Erreichung dieser Ziele ist, dass die "Asse" der jeweiligen Marke gezielt ausgespielt werden und Koor-dinierungsmaßnahmen zu Komplexitätsreduktion führen.

Die Aspekte eines höheren Premiums und einer Volumensteigerung leuchten sofort ein, der Kostensenkungsaspekt jedoch wird häufig kritisch hinterfragt. In komplexen Matrix-Organisationen wie bei Hilti sind vor allem die Vertriebseinheiten und die Pro-duktbereiche interessiert, aber auch sehr skeptisch. Hilfreich ist an diesem Punkt ei-ne grundsätzliche Erklärung für alle Prozessbeteiligten, wie Markenführung zu ver-stehen ist. Hierzu gehört zum einen die Feststellung, dass jeder Mitarbeiter tagtäglich die Markenwahrnehmung beeinflusst, unabhängig davon, ob diese vom Management aktiv gesteuert wird oder nicht. Darüber hinaus muss deutlich gemacht werden, dass diese Art der Markenführung häufig sogar kostenlos bzw. mit sehr geringen Kosten verbunden ist.

Als geeignetes Kommunikationsinstrument hat sich der "Story-telling"-Ansatz be-währt. Mithilfe einer kleinen, grafisch unterstützten Geschichte wird verdeutlicht, wie der Kunde mit verschiedensten Elementen der Marke tagtäglich in Kontakt kommt. Am Beispiel Hilti wird der Tagesablauf eines Handwerkers erzählt, der auf der Bau-stelle mit Hilfe eines Hilti Bohrhammers ein Loch bohrt und dabei die Leistung des Gerätes spürt. Er holt Dübel aus einer Verpackung und erlebt die Marke durch den Verkaufsrepräsentanten oder die Telefonhotline. Eine solche Geschichte verdeut-licht, wie scheinbar nebensächliche Elemente des operativen Geschäfts die Marken-wahrnehmung nachhaltig beeinflussen. Aus abstrakten Markenführungskonzepten entsteht durch Rückgriff auf Erfahrungswelten eine plastische Darstellung der Mar-kenführung.

Jeder Beteiligte soll verstehen, dass die Marke tagtäglich kommuniziert wird, selbst in der Freizeit, wenn der Mitarbeiter ein Firmen-T-Shirt trägt. Bei jedem Kontakt mit ei-nem potentiellen Kunden gibt es die Möglichkeit, auf die Marke einzuzahlen oder sie in Misskredit zu bringen. Dann wird klar, dass selbst das Personalrestaurant mit der Zubereitung qualitativ hochwertiger Speisen in ansprechendem Ambiente einen wertvollen Beitrag für die Marke leistet, nicht nur für externe Kunden, sondern alle Mitarbeiter, die Markenbotschafter sind. So wird deutlich, dass Markenführung zu-nächst im Bewusstsein (und Unterbewusstsein) jedes Mitarbeiters auf jeder Hierar-chieebene verankert werden muss, um von dieser Basis aus den weiteren Prozess fortzuführen. Hierfür sind keine großen Investitionen, sondern konsequente Kommu-nikationsmaßnahmen notwendig.

Dies führt zurück zum zweiten Aspekt der Hypothese: Wie lässt sich durch Marken-führung Kostensenkung erreichen? Die Erfahrung bei einer im Wesentlichen dezen-tral organisierten Organisation wie Hilti lehrt, dass konsistente Prozesse, insbesonde-re auch in der Marketingkommunikation, erhebliche Einsparpotentiale bergen. Oft sind einzelne Vertriebsgesellschaften besonders kreativ in ihren Kommunikationsan-strengungen und beschäftigen zahlreiche Agenturen mit vielen thematischen und optischen Ansätzen. Dies führt zu Redundanzen, erhöhten Kosten und verringerter Markenkonsistenz. Bei einer Vielzahl von Auftraggebern und ebenso vielen Ansätzen wird deutlich, dass die Kosten schnell aus dem Ruder laufen können. Darüber hinaus ist ein global einheitlicher Auftritt kaum erreichbar und der Kunde erkennt hinter un-terschiedlichen Auftritten den Adressaten nur mit Mühe. Konsequente Markenführung erlaubt hier z. B. durch eine reduzierte, konsistente Zahl an Formaten und Medien, die mit fokussierten Aussagen operieren, Entscheidungsprozesse für dezentral agie-rende Organisationen zu vereinfachen, Kosten einzusparen und gleichzeitig die Mar-ke zu stärken.

Ein einfaches Beispiel hierfür ist das Katalog-Pooling, d.h. die zentralisierte Daten- und Druckverwaltung von länderspezifischen Produktkatalogen. Zwar sind in ver-schiedenen Ländern teilweise unterschiedliche Produkte im Angebot, der überwie-gende Teil jedoch ist identisch und muss nicht auf nationaler Ebene immer wieder neu zusammengestellt und als Katalog oder Broschüre in Druck gegeben werden. Auch die Positionierung der Marke selbst verläuft in allen Ländern weitestgehend gleich. Was liegt also näher als Skaleneffekte bei sprungfixen Druckkosten zu reali-sieren, indem sich mehrere Vertriebsgesellschaften zusammenschließen und ge-meinsam den Druckauftrag erteilen? Auf diese Weise konnte Hilti in kürzester Zeit mehrere 100.000 CHF pro Jahr sparen und durch effektives Benchmarking den Kata-loginhalt sogar noch verbessern.

Apropos Benchmarking: Eine offene Unternehmenskultur wie bei Hilti ermöglicht den Strukturvergleich der Markenführungsausgaben über Länder hinweg. So können Einsparpotentiale an den richtigen Stellen identifiziert und "Best-practice"-Beispiele aus einzelnen Ländern schnell übernommen werden. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht generelle Kostensenkungsprogramme, sondern die Überprüfung der Sinnhaf-tigkeit gegebener Ansätze, der Auswahl eines "Best-of-class"-Ansatzes und die Er-zielung punktueller, sinnvoller Sparmassnahmen. Beispiele hierfür sind die Kosten für Marktforschung gegenüber unternehmerisch geeigneteren Alternativen oder "schiefe" Relationen von Entwicklungs- zu Kommunikationskosten neuer Produkte. Möglicher-weise sind Kommunikationsmaßnahmen zu einseitig auf bestimmte Medien gestützt und intern und extern nicht voll integriert. Es gilt hier, in Gesprächen und Analysen das jeweils beste Verfahren in komplexen Kommunikationszusammenhängen zu i-dentifizieren und die knappen Mittel in die richtigen Kanäle zu lenken bzw. für andere unternehmerische Projekte zu verwenden.

So erfreulich und effektiv der Kostensenkungseffekt von Markenführung ist, so muss doch klar sein, dass es sich hier nur um ein "Nebenprodukt" der Markenführung han-delt. Zentrales Anliegen aller Maßnahmen ist und bleibt die nachhaltige Stärkung der Marke, verbunden mit einem substantiellen finanziellen Beitrag zum Unternehmens-erfolg. Je konsequenter Markenführung dabei in die strategischen und operativen Unternehmensprozesse eingebunden ist, umso leichter fällt die Quantifizierung eben dieser Maßnahmen.



Quellenangaben

"The best global brands", Auswertung basierend auf Interbrand-Analysen in: Business Week, 4. August 2003 und 6. August 2002

Vgl. Backhaus, Klaus et al.: Multivariate Analysemethoden - Eine anwendungsorientierte Einführung, 8. Auflage, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 1996, Kapitel 7, S.322ff

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