Recht und Unrecht des Sampling – BGH Urteil „Metall auf Metall“
Recht und Unrecht des Sampling – BGH Urteil „Metall auf Metall“

Recht und Unrecht des Sampling – BGH Urteil „Metall auf Metall“

Aufsatz, Deutsch, 3 Seiten, Sound & Recording, MM-Musik-Media-Verlag GmbH & Co.KG

Autor: Dr. Richard Brunner

Erscheinungsdatum: 2009


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Recht und Unrecht des Sampling – BGH Urteil „Metall auf Metall“

 

Es dürfte nicht übertrieben sein, wenn man das Sampling als eine der wichtigsten Techniken der modernen Musikproduktion bezeichnet. Selbst in der Rockmusik, wo lange die Nase über jegliche digitale Unterstützung gerümpft wurde, kommt kaum noch eine Produktion ganz ohne Samples aus. Nicht nur, dass jeden Monat eine unüberschaubare Anzahl von speziellen Tonträgern gerade zu diesem Zweck auf den Markt geworfen wird, längst basiert auch ein bedeutender Teil der hard- oder softwaregestützten Klangerzeuger auf Samples.

 

Dies zeigt, dass der Umgang mit Samples zu einer natürlichen Angelegenheit im Musikschaffen geworden ist. Aber so selbstverständlich wie die Arbeit mit Samples auch sein mag – die rechtlichen Zusammenhänge sind keineswegs so offensichtlich. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man die einschlägigen Nachrichten verfolgt.

Da war etwa zu lesen, dass sich der Rapper Bushido vor dem Landgericht Hamburg verantworten müsse, weil er für sein 2006 erschienenes Album „Von der Skyline zum Bordstein zurück“ die französische Gothic Band Dark Sanctuary in einer Mehrzahl von Fällen gesampelt haben soll, ohne sich um eine entsprechende Lizenz zu bemühen. Weitere Samplingvorwürfe werden von den norwegischen Schwermetallern Dimmu Borgir gegen Bushido erhoben.

Der Fall „Metall auf Metall“

Damit steht der Rapper allerdings nicht alleine da. Sogar der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich erst kürzlich in einem Urteil mit dem Thema Sampling befasst. Gegenstand des Urteils ist ein Rechtsstreit, der ebenfalls schon das LG Hamburg und das zuständige Oberlandesgericht beschäftigte und schon einige Jahre andauert.

Der dem BGH Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist, soweit er hier relevant ist, schnell zusammengefasst: Die Rechtsinhaber des Elektroklassikers „Metall auf Metall“ der Gruppe Kraftwerk (veröffentlicht im Jahr 1977) haben die beiden Komponisten und Produzenten Moses Pelham und Martin Haas des von Sabrina Setlur interpretierten Titels „Nur mir“ (veröffentlicht im Jahr 1997) sowie deren Produktionsfirma 3p wegen der nicht lizenzierten Übernahme eines etwa zwei Sekunden langen Ausschnitts des Drumloops von „Metall auf Metall“ (Takte 19 und 20) verklagt. Die Tatsache, dass die Sequenz tatsächlich gesampelt und nicht nachgespielt ist, ist mittlerweile geklärt. Dieses Kraftwerk-Sample bildet in metrischer Verschiebung die Basis des Beats von „Nur mir“.

Das Tonträgerherstellerrecht

Keinesfalls Einigkeit besteht jedoch nach wie vor bezüglich der rechtlichen Beurteilung des Vorgangs. Im Kern geht es dabei um das so genannte Tonträgerherstellerrecht. Dieses Recht schützt die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung der erstmaligen Festlegung eines Schallereignisses auf Tonträger. In heutiger Zeit ist in den meisten Fällen zunächst nicht die Plattenfirma Inhaberin dieses Rechts, sondern der wirtschaftliche Produzent des Masters. Dieser überträgt es jedoch regelmäßig im Rahmen eines Bandübernahmevertrags an das Label. Der Schutz besteht gegen unbefugte Vervielfältigung (Sampling, Piraterie), Verbreitung (Vertrieb) und öffentliche Zugänglich­machung (Music-on-Demand). Dieses Recht besteht allerdings nicht unbegrenzt, sondern erlischt 50 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers. Rechtsverletzungen können das Verbot des Vertriebs von Aufnahmen, die das Sample enthalten, die Vernichtung solcher Tonträger, bis hin zu Schadenersatz nach sich ziehen.

Schutz kleinster Soundpartikel

Noch nicht höchstrichterlich entschieden war in diesem Zusammenhang die Frage, ob bereits jeder noch so kurze Ausschnitt aus einer fremden Aufnahme das Recht des Tonträgerherstellers verletzt, wenn dies ohne seine Zustimmung geschieht. In der Praxis der Musikproduktion macht es einen erheblichen Unterschied, ob eine Bassdrum, ein Synthesizersound oder doch ein kompletter Loop in den eigenen Track übernommen wird. Weder die rechts­wissen­schaftliche Literatur, noch die Gerichte hatten diesbezüglich eine einheitliche Meinung vertreten, neigten jedoch überwiegend zu einer Sampling-freundlichen Auslegung. Es wurde argumentiert, dass der Tonträgerhersteller mit der Finanzierung der Aufnahmen zwar ein hohes wirtschaftliches Risiko eingehe; wo aber nur kleinste Soundpartikel entnommen würden, läge keine messbare Beeinträchtigung bezüglich der Auswertungsmöglichkeiten der Originalaufnahme vor. Der BGH lehnte diese Ansicht nunmehr in seiner „Metall auf Metall“-Entscheidung ab, weil der Tonträgerhersteller seine unternehmerische Leistung für den gesamten Tonträger erbringe und es daher keinen Teil des Tonträgers gäbe, auf den sich diese Leistung nicht beziehen würde. Jeder noch so kleine Soundfetzen steht folglich dem Grunde nach unter dem Schutz des Urheberrechts.

Der BGH hat immer Recht

Hier werden zwei unterschiedliche Sichtweisen bezüglich der Zulässigkeit des Samplings deutlich. Tendenziell wurde früher unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit für den Tonträgerhersteller das Sampeln insbesondere von Einzeltönen als zulässig angesehen, weil die Absatzchancen für den Originaltonträger dadurch nicht beeinträchtigt würden. Der BGH sucht dagegen eine Lösung für das nicht zu leugnende Problem, dass kaum auszumachen ist, wie viel von einer Aufnahme gesampelt werden darf, ohne die Grenze der Zumut­barkeit für den Tonträgerhersteller zu überschreiten. Dabei hat er insbesondere vor Augen, dass das Gesetz gerade keine wesentliche Beeinträchtigung des Rechtsinhabers für die Annahme einer Urheberrechtsverletzung voraussetzt. Außerdem wäre ohne die Leistung des Tonträgerherstellers weder die Herstellung des ganzen Tonträgers, noch der kleinste Tonschnipsel daraus denkbar. Im Ergebnis gilt es folglich zukünftig zu beachten, dass schon die unbefugte Entnahme kleinster Tonfetzen im Wege des Samplings fremde Rechte verletzt.

Die Rechte der Künstler

Aber nicht nur das Tonträgerherstellerrecht, sondern auch weitere Rechte können beim Sampling verletzt werden. Neben dem Tonträgerhersteller hat auch der ausübende Künstler Rechte an den unter seiner Mitwirkung entstandenen Aufnahmen. Das Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers ist allerdings, anders als das Tonträgerherstellerrecht, grundsätzlich daran gebunden, dass der Künstler an der Darbietung eines urheberrechtlich geschützten Werkes mitgewirkt hat. Dies ist aber in der Regel selbst bei Schlager und Pop kein Problem, da die Anforderungen an die so genannte Schöpfungshöhe nicht allzu hoch sind (Stichwort „kleine Münze“). Es kommt also nicht darauf an, ob der gesampelte Ausschnitt für sich gesehen oder der künstlerische Beitrag des Musikers urheberrechtlichen Schutz genießen. Zu beachten ist jedoch, dass auch der ausübende Künstler regelmäßig seine Rechte an seiner Darbietung auf die Plattenfirma oder den Produzenten überträgt. Dann kann er diese Rechte nicht mehr selbst verfolgen, außer er wird dazu vom neuen Rechtsinhaber zum Beispiel im Wege der so genannten Prozessstandschaft ermächtigt. Davon machte übrigens auch die Plattenfirma EMI Elektrola im geschilderten Kraftwerk-Fall Gebrauch. Dann kann bzw. muss der Künstler sich selbst um die Durchsetzung seiner Rechte bemühen. Praktische Bedeutung hat dies, insbesondere wenn zum Beispiel die Plattenfirma die Erfolgsaussichten einer Klage nicht für ausreichend günstig einschätzt, um die vermeintliche Urheberrechtsverletzung selbst zu verfolgen.

Die Rechte der Komponisten

Ist ausnahmsweise auch ein urheberrechtlicher Schutz für das Sample selbst zu bejahen, weil nicht nur ein Schlagzeugrhythmus oder ein Klang gesampelt wurden, dann kann zusätzlich auch der Komponist die Verletzung seiner Rechte geltend machen. In der Praxis macht man im Fall von nicht lizenzierten Samples davon aber nur ungern Gebrauch, weil man am Anfang eines Prozesses nur schwer einschätzen kann, ob auch die Gutachter und schließlich die Richter einen selbständigen urheberrechtlichen Schutz des Samples als so genannten Werkteil bejahen werden. Da ist es sicherer und bequemer auf den Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers und des ausübenden Künstlers zurückzugreifen. Sollte dies jedoch tatsächlich einmal relevant werden, etwa wenn man sich um die Freigabe eines solchen Samples bemüht, so ist vorab zu klären, ob die urheberrechtlichen Nutzungsrechte nicht ganz oder teilweise bei der GEMA liegen. Bei Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Samples ist ferner zu beachten, dass gegebenenfalls zusätzlich die Erlaubnis eines beteiligten Musikverlages zur Benutzung des Werkteils als Sample einzuholen ist. Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sollte diese Genehmigung auch die Verwendung des Samples in Verbindung mit einem Musikvideo der neuen Produktion beinhalten (so genanntes Filmherstellungsrecht)!

Was ist zu tun?

Die Vielzahl der möglicherweise tangierten Rechte (Tonträgerherstellerrecht, Leistungsschutzrecht der ausübenden Künstler, Urheberrechte, ggf. Filmherstellungsrecht) und deren Lizenzierung („Sample Clearing“) machen eine genaue Dokumentation der Sample-Quellen jedenfalls dann mehr als empfehlenswert, wenn man mit seinen Sample-basierten Produktionen den rein privaten Bereich verlässt. Letzteres ist selbstverständlich schon dann zu bejahen, wenn der Track zwar nicht auf Tonträger gepresst wird, aber im Internet zum Download oder Streaming bereitgestellt wird.

Das Recht der freien Benutzung

All dies muss einen Sample-Künstler allerdings nicht kümmern, wenn er sich auf das so genannte Recht der freien Benutzung berufen kann. Das Urheberrechtsgesetz sieht diesen Ausnahmetatbestand für Fälle vor, in denen fremdes geistiges Eigentum unbestritten als Vorlage für das eigene Schaffen verwendet wird, das Arbeitsergebnis jedoch eine eigene geistige Schöpfung darstellt. Die Vorlage darf aber nur im Sinne einer Anregung für das eigene Werk dienen. Urheberrechtlich geschützte Elemente des Originals dürfen sich gerade nicht in dem späteren Werk wiederfinden, sonst stellt die Komposition eine Bearbeitung oder Umgestaltung des Originalwerks dar, die genehmigungspflichtig ist.

Das Recht zur freien Benutzung hat letztlich nur klarstellenden Charakter. Es eröffnet keinen zusätzlichen Handlungsspielraum. Im Übrigen gilt es nach Wortlaut und Systematik nur für das Urheberrecht an einem Werk, nicht aber für die verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler oder Tonträgerhersteller. Genau das stellte der BGH mit seiner „Metall auf Metall“-Entscheidung erstmals in Frage. Das gefällte Urteil schließt den Fall nicht ab, sondern rügt das Berufungsgericht, es habe versäumt zu prüfen, ob sich die Produzenten von „Nur mir“ auf das Recht zur freien Benutzung berufen könnten, was eine Verletzung des Tonträgerherstellungsrechts entfallen ließe. Das OLG Hamburg muss nun erneut entscheiden. Es bleibt spannend abzuwarten, wie es unter Berücksichtigung der Vorgaben des BGH urteilen wird. Die Bejahung des Rechts der freien Benutzung auch in Bezug auf das Tonträgerherstellungsrecht würde unter Umständen doch die Entnahme kleinster Klangpartikel erlauben, denn ohne technische Analyse lässt sich kaum feststellen, ob ein Drumsound oder ein Klavierklang von einer ganz bestimmten Aufnahme gesampelt wurde. Ferner wäre es theoretisch möglich diese Klänge mit eigenen Mitteln zu erzeugen. Es ließe sich dann argumentieren, dass in diesen Fällen die Original­aufnahme derart in der neuen Produktion verblasst, dass das Sample in freier Benutzung des Originals verwendet wurde.

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Text: Dr. Richard Brunner

 

Der Autor ist Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Urheberrecht und gewerblicher Rechtsschutz. Kontakt: info@musiclaw.eu.

 

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