Samples, Plagiate, Soundalikes - alles nur geklaut?
Samples, Plagiate, Soundalikes - alles nur geklaut?

Samples, Plagiate, Soundalikes - alles nur geklaut?

Beitrag, Deutsch, 2 Seiten, SchoolJam, MM Musik Media Verlag GmbH & Co. KG

Autor: Dr. Richard Brunner

Erscheinungsdatum: 2009

Seitenangabe: 78-79


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SchoolJam, MM Musik Media Verlag GmbH & Co. KG

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SchoolJam klärt auf…

Samples, Plagiate, Soundalikes – alles nur geklaut?

„Das ist alles nur geklaut und gestohlen, nur gezogen und geraubt. Entschuldigung, das hab' ich mir erlaubt.“ So textete die deutsche Vokalpopgruppe Die Prinzen schon im Jahr 1993 sehr treffend.

Was damals schon ein Problem zu sein schien, ist heute aktueller denn je. Jedenfalls drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man sich die gegenwärtigen Fälle von Plagiatsvorwürfen vor Augen führt. Vor kurzem etwa war zu lesen, dass der so genannte Gangsterrapper Bushido seine Inspiration gerne bei Black Metal und Gothic Bands holt. Die französische Gruppe Dark Sanctuary hat den Rapper beim Landgericht Hamburg wegen der nicht genehmigten Übernahme von Ausschnitten ihres musikalischen Werkes in acht der insgesamt 21 Tracks seines 2006 erschienen Albums „Von der Skyline zum Bordstein zurück“ verklagt. Weiteren Vorwürfen sieht sich Bushido von den norwegischen Rockern von Dimmu Borgir ausgesetzt, die behaupten, dass der Rapper sich auch bei mehreren ihrer Hooklines bedient hätte. Es ist ja nichts Neues, dass im Hip Hop gerne von anderen Platten gesampelt wird. Allerdings sollte man sich zuvor mit den Rechteinhabern über die Verwendung von Samples oder Melodien einigen, da das sonst eine klare Urheberrechtsverletzung darstellt, die weitreichende Folgen vor allem in finanzieller Hinsicht haben kann. Übrigens ist Bushido bei Verletzungen von Rechten an seinen Songs gar nicht zimperlich und lässt ungenehmigte Nutzungen durch seinen Anwalt konsequent verfolgen.

Samples

Wenn hier von Urheberrechtsverletzungen die Rede ist, sollten die verschiedenen Arten und Begriffe zur besseren Einordnung geklärt werden. In einer früheren Ausgabe des SchoolJam-Magazins (Heft 5|2008) wurden an dieser Stelle bereits die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Coverversion, Sample und Remix behandelt. Hier soll es speziell um Urheberechtsverletzungen durch die unbefugte Übernahme fremder musikalischer Elemente gehen. Diese musikalischen Bestandteile können auf sehr unterschiedliche Art und Weise kopiert werden. Die direkteste Verletzung liegt dabei vor, wenn eine bestehende Aufnahme im Wege des Samplings in eine neue Aufnahme eingearbeitet wird. Zu dieser Kopiermethode wurde die bisherige Rechtsprechung des OLG Hamburg (wir berichteten) durch ein neues Urteil vom November 2008 des höchsten deutschen Zivilgerichts, dem Bundesgerichtshof (BGH), in der gleichen Rechtssache bestätigt. Der Gerichtshof stellte fest, dass schon die Verwendung „kleinster Tonfetzen“ aus dem Stück „Metall auf Metall“ der Gruppe Kraftwerk (veröffentlicht 1977) in dem Song „Nur mir“ von Sabrina Setlur (veröffentlicht 1997) in das Recht des Tonträgerherstellers an der Originalaufnahme eingreift. Streitpunkt war ein Ausschnitt von etwa zwei Sekunden aus dem von Kraftwerk programmierten Drumloop (ein Takt), der sich ständig wiederholend als Basis der Beats von „Nur mir“ diente. Es ist also widerlegt, dass eine bestimmte Anzahl von Takten ohne Genehmigung benutzt werden dürfte. Mit Hilfe der heutigen Studiotechnik lässt sich übrigens sehr gut analysieren, ob ein Sound in einem Stück tatsächlich abgesampelt oder mit eigenen Mitteln nachproduziert wurde.

Plagiate

Anders als beim Sampling, wo eine Tonträgeraufnahme übernommen wird, spricht man von einem Plagiat, wenn wesentliche Teile eines musikalischen Werkes (Text oder Komposition) – unabhängig von einer konkreten Aufnahme – wissentlich nachgeahmt werden. Der Begriff stammt übrigens von dem lateinischen Wort „plagiarius“, was übersetzt „Menschen­räuber“ bedeutet. Als solcher musste sich der römische Dichter Fidentinus von seinem Berufskollegen Martial bezeichnen lassen, da er einige von Martials Gedichten als eigene ausgegeben hatte. Zum Glück geht es bei Urheberrechtsverletzungen nicht um Menschenhandel; dieser drastische Ausdruck zeigt aber, dass schon damals das Abkupfern nicht als bloßes Kavaliersdelikt angesehen wurde, wenngleich es in der Regel bei einer moralischen Verurteilung blieb.

Plagiiert werden können grundsätzlich alle musikalischen Elemente, wie zum Beispiel Text, Melodie, Harmonie, Rhythmus oder Klang. Rechtlich gesehen kommt es dabei darauf an, ob nach dem Gesamteindruck die übereinstimmenden Bestandteile (einer oder mehrere) zusammengenommen die Schwelle der Schöpfungshöhe überschreiten, also als schutzwürdige schöpferische Leistung anzusehen ist. Ist dies zu bejahen, stellt die Übernahme eine Urheberrechtsverletzung dar. Am leichtesten lässt sich der Plagiatsverdacht erhärten, wenn eine Melodie oder Teile einer Melodie geklaut wurden. Die Melodie stellt immer den Kern einer Komposition dar und steht daher unter besonderem Schutz.

Auch hierzu gibt es ein aktuelles Urteil, wenngleich der Rechtsstreit schon seit dem Jahr 2000 beim LG München anhängig ist. Die Klage des deutschen Musikers Jürgen Winter, Mitglied der Band Jud’s Gallery, wirft dem bekannten britischen Gitarristen Gary Moore die markante Instrumentalhookline seines Welthits „Still got the Blues“ (veröffentlicht 1990) dem Stück „Nordrach“ der deutschen Gruppe entlehnt zu haben. Das Landgericht München geht zwar davon aus, dass Gary Moore die Melodie nur unbewusst übernommen hat, was grundsätzlich aber für die Annahme einer Rechtsverletzung ausreicht. Das Spannende an dem Fall ist, dass das Stück „Nordrach“ erst zehn Jahre später auf Tonträger veröffentlicht wurde, aber bereits in den 70’er Jahren im Radio und auf Konzerten zu hören war. Just zu dieser Zeit hielt sich Gary Moore nachweislich auch in Bonn auf, genau der Region, in welcher Jud’s Gallery häufig auftraten.

Joe Satriani vs. Coldplay

Wenn vergleichsweise unbekannte Künstler behaupten, dass ein bestimmter Welthit eines Stars von ihnen geklaut sei, sieht das schnell so aus, als ob hier ein Trittbrettfahrer seine Chance wittert (wohl nicht so ihm oben geschilderten Fall). Aber es kommt auch vor, dass bekannte Musiker sich in ihren Rechten durch andere berühmte Künstler verletzt sehen. Vor kurzem wurde bekannt, dass die Rockgitarrenlegende Joe Satriani in Los Angeles Klage gegen die Musiker von Coldplay eingereicht hat, weil deren letzter Hit „Viva la Vida“ ein Plagiat der Komposition „If I could fly“ des Gitarren­virtuosen sei. Trotz Unterschiede in Tonart und Tempo, klingt der Refrain des Coldplay Songs stark nach einer Passage aus dem Satriani Instrumentalstück. Es wäre bösartig zu sagen, dass die Jungs von Coldplay Joe Satriani gar nicht kennen würden (jeder Rockgitarrist kennt ihn!), andererseits ist nicht zu verleugnen, dass eingängige Melodien nicht unendlich verfügbar sind, so dass auch ohne böse Absicht Überein­stimmungen auftreten können. Dann stellt sich die Frage, ob alleine die Übernahme einer eingängigen (meist sehr einfach gehaltenen) Melodie tatsächlich eine Verletzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes darstellt. Denn musikalische Elemente, die nur trivial sind und nichts Neues bieten, fallen nicht unter den Schutz des Urheberrechtes. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Sache entwickelt.

U2 vs. Linkin Park

Weitere starke Übereinstimmungen zweier Kompositionen der letzten Zeit lassen sich zwischen Linkin Parks „Shadow oft the day“ (veröffentlicht 2007) und dem U2 Klassiker „With or without you“ (veröffentlicht 1987) feststellen. Während der verständige Zuhörer beim ersten Hören die Ähnlichkeiten als frappierend empfindet, zeigt sich jedoch bei genauerer Analyse, dass die Entsprechungen nur begrenzt sind. Relativ schnell fällt auf, dass Text und Melodie, abgesehen von vielen lang gehaltenen Tönen und einem begrenzten Tonumfang, kaum etwas gemeinsam haben. Ähnlich sind jedoch die Bassriffs. In beiden Songs handelt es sich um viertaktige Sequenzen, bei denen im Wesentlichen je Takt nur ein Ton in einer Achtelbewegung gespielt wird. Während sich bei U2 jedoch die vier verschiedenen Grundtöne in einer tendenziell abfallenden Folge durchwegs wiederholen, bietet das Riff bei Linkin Park harmonische Varianten, die dem Song zusätzliche Spannung verleihen. Ähnlich sind auch die Instrumentierung und das Arrangement der Lieder. Mit dem sparsamen Einsatz von Gitarren und Streichersounds am Anfang bauen sich beide Titel durch Hinzufügen von immer mehr und rockigeren Gitarrenlinen über die (gleiche) Länge von fast 5 Minuten auf. Bei „Shadow of the day“ wird das auf die Spitze getrieben. Mit ca. 113 bpm (beats per minute) haben beide Songs auchdas gleiche Tempo. Dies zusammen mit dem ganz ähnlichen Rhythmus von Bass und Schlagzeug und nicht zuletzt der elegischen Melodieführung mit vielen lang gehaltenen Tönen ruft beim geneigten Hörer entsprechende Assoziationen an den jeweils anderen Song hervor.

Soundalikes

Gerade Rhythmus und Harmonien oder der Einsatz bestimmter Klangfarben sind jedoch grundsätzlich nicht geeignet, um einen Plagiatsvorwurf zu begründen, da sie als Stilmittel nicht schutzfähig sind und zum musikalischen Handwerkszeug eines jeden Komponisten gehören. Es kann nicht angehen, dass ein einziger Komponist die Rechte an Reggae oder Hip Hop für sich beansprucht. So könnte man im Fall von Linkin Park eher von einem „Soundalike“ sprechen – also: es klingt irgendwie nach… ist es aber eben doch nicht. Das ist rechtlich nicht angreifbar und soll es auch nicht sein, denn mal ehrlich: es gibt keinen noch so genialen Künstler, der sich nicht von anderen inspirieren ließe. Es scheint als würde auch U2 das so sehen, da sie für „Shadow of the day“ weder als Miturheber aufgeführt sind, noch ist bekannt, dass sie beabsichtigen, gegen Linkin Park rechtliche Schritte einzuleiten.

Es ist also nicht verwerflich zu seinen musikalischen Einflüssen zu stehen oder seinen Vorbildern Tribut zu zollen. Dabei sollte jedoch der Leitsatz gelten: Nacheifern und nicht nachahmen.

Text: Dr. Richard Brunner, Rechtsanwalt, http://www.musikrecht.info

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